Mit dem Start ins neue Semester setzen sich viele Studierende neue Ziele: öfter zur Vorlesung gehen, effektiver lernen, den Alltag besser strukturieren oder mehr Balance zwischen Studium und Freizeit finden.
Diese guten Vorsätze sind ein wichtiger Impuls – aber oft bleibt unklar, ob es sich dabei um echte Veränderungsabsichten handelt oder eher um motivierende Wünsche. Der Unterschied ist entscheidend.
Wunsch oder Plan?
Ein Wunsch formuliert ein Zielbild – häufig verbunden mit der Hoffnung, dass sich etwas verändert. Wünsche sind emotional aufgeladen, aber oft wenig konkret.
Ein Plan hingegen ist ein selbst gegebenes Versprechen. Er basiert auf realistischen Einschätzungen, Erfahrungswerten und klaren Handlungsstrategien. Dieses Versprechen ist verbindlicher – nicht nach außen, sondern sich selbst gegenüber.
Beispiel:
Was braucht ein guter Plan?
Ein wirksamer Plan ist konkret, realistisch und orientiert sich an tatsächlichem Verhalten. Hilfreich ist dabei die sogenannte Wenn-Dann-Planung nach Gollwitzer, mit der Vorhaben an auslösende Situationen geknüpft werden:„Wenn ich aus der Uni komme, dann nehme ich mir 90 Minuten Zeit für die Nachbereitung der Inhalte.“
Diese einfache Formulierung erhöht nachweislich die Wahrscheinlichkeit, dass ein Vorhaben auch tatsächlich umgesetzt wird. Sie schafft Klarheit und senkt die Schwelle zum Handeln. Tipp: Am besten handschriftlich dokumentieren!
Vom Vorsatz zum Fortschritt
Wünsche motivieren – aber ohne Struktur verlieren sie schnell an Wirkung. Wer sich selbst etwas verspricht und das mit konkreten Schritten verknüpft, schafft eine realistische Grundlage für Veränderung.
Gerade zu Beginn eines neuen Semesters lohnt es sich, Ziele nicht nur zu formulieren, sondern auch zu planen. Nicht alles muss sofort perfekt laufen – aber Klarheit im eigenen Vorgehen ist ein erster Schritt in Richtung Umsetzung.
Quelle:
Faude-Koivisto, T., & Gollwitzer, P. (2009). Wenn-dann Pläne: Eine effektive Planungsstrategie aus der Motivationspsychologie. In B. Birgmeier (Hrsg.), Coachingwissen: Denn sie wissen nicht, was sie tun? (1. Aufl, S. 207–225). VS Verl. für Sozialwissenschaften.
Bildungscoaching wird an Hochschulen häufig auf Themen wie Zeitmanagement, Schreibkompetenz oder Prüfungsvorbereitung reduziert.
Ohne Frage sind das wichtige Bereiche. Doch die Ergebnisse unserer Befragung im Rahmen des Buchprojekts „Bildungscoaching in Theorie und Praxis“ zeigen ein anderes Bild:
Die eigentlichen Anliegen, mit denen Studierende ins Coaching kommen, gehen weit über klassische Lernstrategien hinaus.
Im Mittelpunkt stehen häufig Belastungserleben, Konflikte im Studienumfeld und Fragen der Selbstverortung im Hochschulsystem. Es geht um Stress, Unsicherheiten im Umgang mit Anforderungen und um die Frage, wie man sich in komplexen Studienrealitäten zurechtfindet – nicht nur fachlich, sondern auch persönlich.
Die Realität hinter dem Studienalltag
Viele Studierende stehen unter einem konstanten Erwartungsdruck: Sie sollen zielgerichtet studieren, Leistung erbringen, gleichzeitig persönliche Entscheidungen treffen und dabei auch noch gut organisiert sein.
Konflikte mit Mitstudierenden oder Lehrenden, Selbstzweifel, Überforderung oder fehlende Orientierung treten dabei nicht selten auf – und wirken sich direkt auf Motivation, Leistungsfähigkeit und Studienverlauf aus.
Diese Themen sind keine Nebenschauplätze. Sie betreffen den Kern des studentischen Alltags.
Bildungscoaching als nachhaltiger Ansatz
Genau hier setzt Bildungscoaching an. Es geht nicht darum, kurzfristig Probleme zu „lösen“, sondern gemeinsam mit den Coachees einen reflektierten, individuellen Umgang mit den eigenen Herausforderungen zu entwickeln.
Im Fokus stehen unter anderem:
Der Coachingprozess ist dabei weder standardisiert noch ausschließlich lösungsorientiert im engen Sinne. Er ist ein Raum für Klärung, Orientierung und – wo möglich – Entwicklung.
Ziel ist es, die Handlungsfähigkeit der Studierenden zu stärken, ohne sie in vorgefertigte Strategien zu pressen.
Die Ergebnisse unserer Befragung machen deutlich: Wenn es im Studium schwierig wird, geht es selten nur um Lerntechniken. Oft steht etwas Tieferes auf dem Spiel – die eigene Rolle, der Umgang mit Druck oder der Wunsch, handlungsfähig zu bleiben.
Quelle:
Matthes, G. & Garczorz, H. (2019). Bildungscoaching: Theorie und Praxis. Springer VS.
Erfolg – ob im Sport oder im Studium – ist selten das Ergebnis reinen Talents. Entscheidend ist vielmehr die Haltung, mit der man an Herausforderungen herangeht.
Genau hier setzt das Konzept des Growth Mindset an: Die Überzeugung, dass Fähigkeiten nicht festgelegt sind, sondern sich durch Übung, Ausdauer und Reflexion entwickeln lassen.
Studierende, die diese Denkweise übernehmen, sehen Fehler nicht als Scheitern, sondern als Teil des Lernprozesses. Sie nutzen Rückschläge, um an sich zu arbeiten – und genau darin liegt langfristig der Schlüssel zu persönlichem Fortschritt.
Wie lässt sich ein Growth Mindset im Studium umsetzen?
Ein Growth Mindset entsteht nicht durch bloße Theorie. Es wächst mit jeder Entscheidung, aktiv zu bleiben – auch dann, wenn der nächste Schritt nicht sofort leichtfällt.
Zwei Drittel der Studierenden erleben Stress als gesundheitliche Belastung*😥
Sich im Studium ständig unter Druck zu setzen, kann langfristig mehr schaden als nützen.
Kurzfristig kann Stress zu erhöhtem Herzschlag, Hormonausschüttung, sowie Gefühlen von Angst und Frustration führen. Diese Symptome können individuell unterschiedlich ausfallen und beeinflussen direkt Deine Leistungsfähigkeit, was häufig zu Fehlern und vermindertem Fokus führt.
Langfristig jedoch können die Folgen noch gravierender sein. Chronischer Stress erhöht das Risiko für organische Erkrankungen und psychosomatische Symptome. Psychische Belastungen wie Depressionen und Burn-out sind häufige Folgen. Zusätzlich kann langfristiger Stress Dein Verhalten negativ beeinflussen, etwa durch ungesunde Gewohnheiten oder reduzierte soziale Aktivitäten.
👉 Priorisiere Deine Aufgaben und plane bewusste Pausen ein, um Deine Energie effizient zu nutzen und Deine Gesundheit zu schützen. So bleibst Du motiviert und kommst Schritt für Schritt voran.
*Laut dem Gesundheitsreport 2023 der Techniker Krankenkasse erleben zwei Drittel der Studierenden Stress als gesundheitliche Belastung. Zwischen 2015 und 2023 haben fast alle untersuchten Beschwerden, wie Stress, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Konzentrationsstörungen, Schlafprobleme, Magenbeschwerden, Erkältungskrankheiten, Allergien und Atembeschwerden, statistisch signifikant zugenommen.
Wenn Studieren anstrengend wird und keinen Spaß macht, beginnen die Zweifel.
Jetzt zeigt eine Metastudie: mentale Anstrengung macht eher keinen Spaß.
Was heisst das für Studierende? Es lohnt sich, die eigenen Erwartungen an sich und das Studium zu reflektieren.
Eine umfassende Meta-Analyse von 170 Studien zeigt, dass mentale Anstrengung in der Regel als unangenehm empfunden wird.
Diese Studien, die in verschiedenen Ländern und mit unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen durchgeführt wurden, verwendeten den NASA Task Load Index, um die Erfahrungen der Teilnehmer zu messen.
Das Ergebnis: Es gibt eine starke positive Verbindung zwischen mentaler Anstrengung und negativen Gefühlen.
Quelle:
DOI: 10.1037/bul0000443
Dr. Daniel Koch berichtet im bilduco talk über den Aufbau und die Etablierung eines Bildungscoaching-Angebots an seinem Fachbereich.
Was als verpflichtende Teilnahme an einer Fortbildung begann, hat sich innerhalb von eineinhalb Jahren zu einem fest verankerten Konzept mit hoher Nachfrage entwickelt.
Der Einstieg kam über ein Reakkreditierungsprojekt. Bereits damals wurde deutlich: Die Studieneingangsphase ist ein kritischer Punkt für den Studienerfolg. Mithilfe von Studienverlaufsdaten identifizierte das Team um Daniel Koch drei Schlüsselprüfungen, an deren Nichtbestehen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit ein späterer Studienabbruch abzeichnet.
Daraus entwickelte sich ein strukturiertes Coaching-Angebot mit mehreren Bausteinen: Lehrveranstaltungen zur Studierfähigkeit, ein Frühwarnsystem auf Basis der Prüfungsergebnisse und gezielte, teils verpflichtende Einladungen zum Coaching.
Ein wichtiges Element: Vertrauen durch Präsenz.
Daniel Koch ist von Anfang an in der Lehre sichtbar. Die Studierenden erleben ihn nicht nur als Coach, sondern auch als Lehrenden, der ihre Herausforderungen kennt – ein Faktor, der maßgeblich zur Annahme des Angebots beiträgt. Zusätzlich setzt er auf Zielgruppenansprache mit humorvollen, themenbezogenen Memes, die Inhalte wie Zeitmanagement oder Lernstrategien niedrigschwellig vermitteln.
Im Gespräch wird deutlich: Bildungscoaching im Fachbereich funktioniert, wenn es sichtbar, zugänglich und klar positioniert ist – und wenn die Umsetzung nicht als Einzelmaßnahme verstanden wird, sondern in bestehende Strukturen eingebettet ist.
Widerstände gehören dazu, doch mit gezielter Unterstützung durch Leitungspersonen und einem pragmatischen Einstieg kann Coaching zu einem festen Bestandteil des Studienalltags werden.
„Taten zählen mehr als Worte – einfach anfangen. Je sichtbarer das Angebot wird, desto eher entsteht daraus ein Selbstläufer.“
– Dr. Daniel Koch
Die Vorstellung, es könne eine einzige Maßnahme geben, die sicherstellt, dass alle Erstsemester ihr Studium erfolgreich abschließen, ist trügerisch – und womöglich auch nicht zielführend.
Denn zum Studieren gehört auch die Auseinandersetzung mit der Frage, ob der gewählte Weg tatsächlich zum eigenen Profil, zu den Interessen und Möglichkeiten passt.
Sich im Verlauf des Studiums neu zu orientieren oder eine Entscheidung zu revidieren, ist kein Zeichen des Scheiterns, sondern Ausdruck von Selbstverantwortung. Es erfordert Mut, einen begonnenen Weg zu verlassen und eine alternative Richtung einzuschlagen.
Der Blick auf Studienerfolg verändert sich
Wolfgang Wick, Vorsitzender des Wissenschaftsrats, fordert Hochschulen dazu auf, Studienerfolg nicht nur vom Abschluss her zu denken, sondern bereits mit dem Blick auf den Studienbeginn gezielt zu fördern.
Gefragt sind individuelle Strategien, die an den konkreten Bedingungen und Bedarfen vor Ort ansetzen – keine Lösungen „von der Stange“, sondern kontextbezogene Ansätze.
In vielen Studiengängen lassen sich bereits nach wenigen Semestern Tendenzen erkennen, wer das Studium voraussichtlich erfolgreich abschließen wird – und wer, statistisch gesehen, mit erhöhten Abbruchrisiken konfrontiert ist. Das wirft die Frage auf: Welche Unterstützungsangebote setzen frühzeitig und wirksam an?
Fachlich, methodisch, überfachlich – ein Zusammenspiel
Maßnahmen zur Förderung fachlicher Kompetenzen sind zweifellos wichtig. Gleichzeitig zeigt die Praxis: Allein mit inhaltlicher Nacharbeit ist es oft nicht getan.
Mindestens ebenso bedeutsam sind Angebote, die methodische und überfachliche Kompetenzen stärken – also Studierfähigkeit im umfassenden Sinn.
Dazu gehören zum Beispiel:
Solche Inhalte lassen sich auf vielfältige Weise vermitteln: in Gruppensettings, als Peer-Formate, über Workshops oder im Einzelcoaching. Die Wahl des Formats sollte sich dabei an Zielgruppe, Thema und Ressourcen orientieren.
Viele Studierende starten motiviert ins Studium – und geraten trotzdem ins Straucheln. Sie fühlen sich überfordert, haben Fragen oder Zweifel, wissen aber oft nicht, wo sie mit ihren Anliegen richtig sind. Der Zugang zu Hilfe ist nicht immer leicht – obwohl sie dringend gebraucht wird.
Dabei geht es nicht nur um Prüfungen oder Finanzen. Viele Probleme drehen sich um das Erlernen des Studierens selbst:
Viele sind erleichtert, wenn sie hören: „Ja, mit deinem Problem bist du hier richtig.“
Was Bildungscoaching leisten kann
Bildungscoaching setzt genau dort an, wo Studierende sonst oft alleine dastehen. Es schafft Raum für persönliche Themen, die im Studienalltag selten Platz finden – aber entscheidend für den Studienerfolg sind.
Im Coaching geht es nicht um fertige Lösungen, sondern um Orientierung, Selbstreflexion und praktische Schritte:
Bildungscoaching bietet einen geschützten Rahmen, in dem solche Fragen nicht nur erlaubt sind – sondern ausdrücklich willkommen. Es ist ein erster, einfacher Zugang zu Unterstützung. Und manchmal ist genau das der Wendepunkt.
Kompetenzaufbau im Studium bedeutet, sich sowohl mit der eigenen Person als auch mit dem Umfeld aktiv auseinanderzusetzen.
Dabei stellen sich zentrale Fragen:
👉🏻 Was verstehe ich unter Studieren?
👉🏻 Welche Haltung(en) bringe ich mit?
👉🏻 Welche Fähigkeiten sind dafür notwendig?
👉🏻 Was motiviert mich, diese Fähigkeiten zu entwickeln?
👉🏻 Und wie kann ich diesen Entwicklungsprozess gestalten?
Sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, hilft Studierenden, Orientierung zu finden und besser zu verstehen, welche Herausforderungen ihnen im Studium begegnen und wo deren Ursachen liegen könnten.
Studierende haben Fragen – und nicht selten das Problem, dass sie nicht wissen, wohin damit.
Laut Studien wissen 68 % der Studierenden nicht, welches Beratungsangebot zu ihrem konkreten Anliegen passt.
Die Folgen:
Was leistet Bildungscoaching in diesem Kontext?
Bildungscoaching kann hier eine wichtige Funktion übernehmen: als niedrigschwelliger erster Anlaufpunkt, besonders für diejenigen, die ihr Anliegen noch nicht klar benennen oder zuordnen können.
Im Gegensatz zu klassischen Beratungsstellen, die meist thematisch festgelegt sind (z. B. Prüfungsberatung, Psychologische Beratung, Studienfinanzierung), setzt Bildungscoaching an der Schnittstelle zwischen individueller Orientierung und Systemkenntnis an.
Coachs unterstützen Studierende dabei, sich zu sortieren – thematisch, emotional und organisatorisch. Sie kennen die Hochschule, die Abläufe, Fachbereiche und auch die Grenzen ihrer Rolle. Sie verweisen weiter, wenn es passt, bleiben aber so lange im Gespräch, wie es sinnvoll ist.
Was passiert im Coaching?
Im Coaching arbeiten Studierende an ihrer Situation – Schritt für Schritt:
Es geht nicht darum, sofort eine Lösung zu präsentieren. Sondern darum, Orientierung zu schaffen, Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen – und eine klare Richtung zu entwickeln.
Was bedeutet das für Hochschulen?
Wenn Bildungscoaching gut in die bestehende Beratungslandschaft eingebunden ist, ergeben sich daraus konkrete Vorteile:
Bildungscoaching ersetzt keine bestehenden Angebote – aber es kann helfen, sie überhaupt zugänglich zu machen.
Für viele Studierende ist es genau das, was am Anfang fehlt: ein Ort, an dem sie sagen können, „Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll“ – und damit genau richtig sind.
Etwa drei Viertel aller Studierenden arbeiten neben dem Studium – nicht aus Interesse, sondern aus Notwendigkeit.
Die Finanzierung des Studiums ist für viele ohne Nebenjob kaum zu bewältigen.
Der Alltag dieser Studierenden ist eng getaktet: Vormittags Vorlesungen, abends Arbeitsschichten, dazwischen Hausarbeiten, Prüfungen, Gruppenprojekte. Hinzu kommen steigende Mieten, hohe Lebenshaltungskosten und oft nur begrenzte finanzielle Unterstützung.
Die Folge ist ein Zustand ständiger Belastung – nicht selten verbunden mit Überforderung, Erschöpfung oder dem Gefühl, dauerhaft „zu kurz zu kommen“.
Dabei fehlt es den Studierenden nicht an Motivation. Viele bringen den Willen mit, ihr Studium erfolgreich zu gestalten und sich gleichzeitig beruflich weiterzuentwickeln.
Was ihnen oft fehlt, sind passende Strukturen, individuelle Strategien und die nötige Unterstützung im Hintergrund.
Was Bildungscoaching leisten kann
Bildungscoaching setzt genau an diesem Punkt an: Es schafft Raum, um den individuellen Umgang mit Belastung zu reflektieren, Perspektiven zu klären und tragfähige Lösungen zu entwickeln.
Im Zentrum stehen Fragen wie:
Im Coaching entwickeln Studierende eigene Wege, um ihren Alltag besser zu bewältigen und langfristig handlungsfähig zu bleiben – nicht als zusätzliche Verpflichtung, sondern als Unterstützung, die Orientierung gibt.
Dauerstress darf nicht zum Standard im Studium werden. Es braucht Räume zur Orientierung – Coaching kann einer davon sein.
Bildungscoaching greift alle Themen auf, die im Rahmen eines Bildungsprozesses relevant werden – fachliche, organisationale ebenso wie persönliche.
Ein zentrales Feld ist dabei das Thema Lernen.
Coaches im Bildungsbereich benötigen fundiertes Wissen über Lernprozesse:
Wie lernen Menschen? Welche Strategien sind hilfreich? Und wie lassen sich Schwierigkeiten systematisch angehen?
Dieses Wissen kommt besonders dann zum Einsatz, wenn Studierende z. B.
Schwierigkeiten haben, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden,
sich immer wieder ablenken lassen oder ihre verfügbare Lernzeit nicht effizient nutzen.
In solchen Fällen hilft eine strukturierte Analyse des Lernverhaltens, um Ursachen zu erkennen und passende Lösungswege zu entwickeln.
Lernstrategien als Arbeitsgrundlage
Eine hilfreiche Grundlage für das (Lernstrategie)-Coaching von Studierenden bietet die Arbeit von Martin & Nicolaisen. Ihre Übersicht über Lernstrategien verbindet kognitionspsychologische und motivationale Perspektiven.
Die Kategorisierung ist bewusst offen gehalten – nicht als starres Modell, sondern als Ausgangspunkt für eine individuelle Analyse. Ziel ist es, Lernstrategien nicht nur theoretisch zu kennen, sondern gezielt und bewusst einzusetzen. Dabei geht es weniger um das „richtige Lernen“ im Allgemeinen, sondern um passgenaue Wege für konkrete Herausforderungen.
Vom Problem zur Methode
Im Coaching werden gemeinsam mit den Coachees passende Werkzeuge entwickelt, ausprobiert und angepasst. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Lernverhalten wird so zu einem Lernprozess an sich – mit dem Ziel, das Lernen effektiver, selbstbestimmter und nachhaltiger zu gestalten.
Quelle:
Martin, P.-Y., & Nicolaisen, T. (Hrsg.). (2015). Lernstrategien fördern: Modelle und Praxisszenarien. Beltz Juventa.
Die Trendstudie „Jugend in Deutschland 2024“ zeigt eine deutliche Entwicklung:
50 Prozent der Studierenden fühlen sich vom Bildungssystem nicht ausreichend auf die Praxis vorbereitet.
Diese Einschätzung betrifft nicht nur die Studierenden selbst, sondern stellt auch Hochschulen vor zentrale Fragen:
Was braucht ein Studium heute, um praxisnah, anschlussfähig und zukunftsorientiert zu sein? Und wie kann die Brücke zwischen Theorie und Anwendung besser gelingen?
Ein möglicher Baustein ist Bildungscoaching.
Es unterstützt dabei, Lernprozesse bewusst zu gestalten, individuelle Ziele zu klären und konkrete Strategien für den Übergang in den Beruf zu entwickeln.
Gleichzeitig bietet es Hochschulen die Möglichkeit, ihre Studierenden gezielter in ihrer Entwicklung zu begleiten – nicht als Zusatzangebot, sondern als integrativer Teil eines zukunftsfähigen Studiums.
In vielen Coachingprozessen zeigt sich ein bekanntes Muster:
Gemeinsam werden Lösungen erarbeitet, klare Ziele formuliert, konkrete Schritte geplant. Coachees sind motiviert und überzeugt von dem, was sie erarbeitet haben. Doch nach einer kurzen Erprobungsphase stellt sich heraus: Die Umsetzung gelingt nicht.
Das ist kein Zeichen von mangelnder Einsicht oder fehlender Motivation. Vielmehr verweist es auf eine Grenze rein kognitiver Lösungsansätze. Nicht jedes Problem lässt sich allein durch Nachdenken, Analyse oder rationale Planung lösen.
Mehr als Denken: Der Körper im Coaching
Gerade in Situationen, in denen Stress, Unsicherheit oder alte Muster eine Rolle spielen, ist es sinnvoll, auch andere Ebenen mit einzubeziehen – zum Beispiel den Körper.
Körperreaktionen sind schneller als der Verstand. Sie zeigen, wo Anspannung sitzt, wo Schutzreaktionen greifen und wo ein Gefühl von Kontrolle fehlt.
Die Frage lautet dann nicht mehr nur: Was denke ich darüber?, sondern auch: Was spüre ich?, Was löst diese Situation körperlich aus?, Was signalisiert mir mein Nervensystem?
Von der Stressreaktion zur Handlungsfähigkeit
Wenn der Körper unter Stress steht, sind viele kognitiven Strategien nur eingeschränkt zugänglich. Aktivierung, Rückzug oder Erstarrung – typische Reaktionen in Überforderungssituationen – können die Umsetzung von Zielen blockieren, auch wenn diese sinnvoll erscheinen.
Ein möglicher Ansatz ist es, körperorientierte Methoden zu nutzen, um aus der Stressreaktion wieder in die Handlungsfähigkeit zu kommen. Dabei geht es nicht um therapeutische Interventionen, sondern um eine bewusstere Einbindung von Körperwahrnehmung und Selbstregulation in den Coachingprozess.
Im bilduco talk spricht Angela Adhikari – Lehrkraft, Autorin und Expertin für Somatic Experiencing – über genau dieses Thema. Sie erläutert, wie Körperarbeit im Bildungskontext sinnvoll integriert werden kann und welche Impulse für Coachingprozesse daraus entstehen.
Nicht alle Bildungswege scheitern an fehlenden Leistungen. Manchmal ist es der fehlende Glaube an sich selbst, der verhindert, dass Studierende ihr Potenzial ausschöpfen. Ein Phänomen, das unter dem Begriff „unbewusste Selbstselektivität“ diskutiert wird.
Gemeint ist damit die Tendenz, sich selbst – oft unbewusst – Chancen vorzuenthalten. Etwa dann, wenn Studierende mit sehr guten Leistungen sich nicht für ein Stipendium, ein Auslandssemester oder eine Promotion bewerben, obwohl sie alle Voraussetzungen mitbringen.
Der Grund liegt nicht in der Qualifikation, sondern in der Selbstwahrnehmung.
Herkunft prägt Entscheidungen
Besonders betroffen sind häufig Studierende aus nicht-akademischen Familien. Sie bringen gute fachliche Voraussetzungen mit, kämpfen jedoch mit Unsicherheiten, die sich aus ihrer sozialen Herkunft ergeben. Erfahrungen von Nicht-Zugehörigkeit, das Fehlen von Vorbildern oder internalisierte Zweifel („Das ist nichts für Leute wie mich“) beeinflussen Entscheidungen – ohne dass diese immer bewusst reflektiert würden.
So entstehen stille Bildungsabbrüche, bevor überhaupt ein Auswahlprozess beginnt. Chancen werden nicht ergriffen, nicht weil sie nicht erreichbar wären, sondern weil sie nicht als erreichbar empfunden werden.
Was kann Bildungscoaching hier leisten?
Im Coaching entsteht ein Raum, in dem genau solche Unsicherheiten sichtbar werden dürfen – ohne Bewertung, ohne Erwartungsdruck. Es geht darum, die individuellen biografischen Prägungen ernst zu nehmen und gleichzeitig neue Perspektiven auf den eigenen Weg zu eröffnen.
Ziel ist nicht, zu motivieren „mehr zu wollen“, sondern gemeinsam zu klären, was möglich ist – und warum bestimmte Möglichkeiten bisher nicht als Option wahrgenommen wurden. Denn intellektuelles Potenzial ist nur dann wirksam, wenn es auch als solches erkannt und in Anspruch genommen wird.
Studieren ist mehr als das Aneignen von Fachwissen.
Es erfordert eine Vielzahl an Fähigkeiten, die nicht bei allen Studierenden gleichermaßen vorhanden oder entwickelt sind. Was oft als selbstverständlich vorausgesetzt wird – etwa sich selbst zu organisieren, mit Unsicherheiten umzugehen oder komplexe Anforderungen parallel zu bewältigen – ist in der Realität eine vielschichtige Kompetenz.
Wir arbeiten mit einem Kompetenzverständnis, das nicht von festen Eigenschaften ausgeht, sondern von Entwicklungspotenzial. Kompetenzen sind veränderbar, situationsbezogen und können gezielt gefördert werden.
Zur Analyse und Weiterentwicklung nutzen wir das SKATE-Modell von Dr. Claas Triebel.
Es beschreibt Kompetenzen als Zusammenspiel aus fünf Elementen:
Im Hochschulkontext ermöglicht das Modell eine strukturierte Auseinandersetzung mit individuellen Fragestellungen: Wo liegen vorhandene Ressourcen? Wo braucht es Entwicklung? Und wie können Studierende darin unterstützt werden, ihr Studium aktiv zu gestalten?
Das Beispiel zeigt, wie das SKATE-Modell hilft, die eigene Situation differenziert einzuschätzen – nicht nur im Hinblick auf Entwicklungsmöglichkeiten, sondern auch als realistischer Abgleich zwischen Anforderungen, vorhandenen Ressourcen und dem, was aktuell leistbar ist.
Im Hochschulkontext wird häufig davon ausgegangen, dass sich Schwierigkeiten im Studium durch verändertes Verhalten lösen lassen.
Wer Probleme hat, soll andere Lernstrategien ausprobieren, sich besser organisieren, Prioritäten setzen oder effektiver mit Zeit umgehen.
Dieser Ansatz ist in vielen Fällen wirksam – er gibt Orientierung und vermittelt konkrete Handlungsmöglichkeiten. Für viele Studierende ist das ein wichtiger Schritt in Richtung Selbststeuerung und Studienerfolg.
Allerdings stößt dieses Vorgehen in der Praxis immer wieder an Grenzen.
Coachees bewerten ihre neuen Strategien oft als sinnvoll und passend. Sie sehen ein, was zu tun wäre, fühlen sich motiviert – und scheitern dennoch in der Umsetzung. Manchmal bleibt der Effekt aus. Manchmal tritt Frustration an die Stelle von Fortschritt.
Kognitive Einsicht allein reicht nicht immer.
In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob eine weitere Anpassung auf Verhaltensebene – etwa durch die Suche nach einer noch passenderen Technik – tatsächlich hilfreich ist. Oder ob der nächste Schritt nicht vielmehr darin besteht, tiefer zu schauen: auf das subjektive Erleben, auf unbewusste Blockaden, auf körperliche Reaktionen im Umgang mit bestimmten Anforderungen.
Die neuropsychologischen Ansätze von Gerhard Roth & Alica Ryba weisen genau in diese Richtung: Lernen und Handeln sind nicht rein kognitive Vorgänge. Emotionen, Körperzustand und individuelle Befindlichkeit spielen eine zentrale Rolle – gerade dann, wenn der Handlungsspielraum eingeschränkt erscheint.
Für das Bildungscoaching bedeutet das: Nicht immer ist mehr Technik die Lösung. Manchmal braucht es ein Innehalten, ein Nachspüren, ein anderes Fragen – jenseits von Checklisten und Methoden. Der Einbezug der körperlichen und emotionalen Ebene kann dazu beitragen, die tatsächlichen Hindernisse zu erkennen und tragfähige Schritte zu entwickeln.
Bildung ist weit mehr als der Erwerb von Wissen. Sie ist ein individueller Entwicklungsprozess, der nicht isoliert, sondern in Beziehung stattfindet. Gerade in Phasen der Unsicherheit, bei Übergängen oder bei Überforderung zeigt sich: Es sind häufig die Menschen, nicht die Inhalte, die Orientierung geben.
Viele Hochschulen greifen diesen Gedanken in ihren Leitbildern auf. Sie verankern ein humanistisches Verständnis von Bildung, das den Menschen in seiner Gesamtheit berücksichtigt – mit seinem Denken, Fühlen und Handeln.
In diesem Zusammenhang wird auch deutlich, wie zentral vertrauensvolle Beziehungen für Lern- und Entwicklungsprozesse sind. Sie bilden die Grundlage dafür, dass neue Perspektiven entstehen, Blockaden gelöst und eigene Ressourcen wieder zugänglich werden.
Der Ansatz im Bildungscoaching
Bildungscoaching macht sich diese Grundannahme zunutze. Es versteht Lernen nicht als rein kognitiven, sondern als ganzheitlichen Prozess. Im Zentrum steht nicht die Methode, sondern die Beziehung: eine professionelle, aber menschlich zugewandte Begleitung, die Studierende in ihrer Selbstwahrnehmung stärkt und ihnen hilft, ihren eigenen Weg zu gestalten.
Beziehung als Ausgangspunkt für Entwicklung
Im Coaching entstehen häufig erst dann Bewegung und Veränderung, wenn die Beziehungsebene tragfähig ist. Es geht weniger darum, Lösungen vorzugeben, sondern darum, einen Raum zu schaffen, in dem Entwicklung möglich wird.
Vertrauen, Präsenz und Echtheit sind dabei nicht „weiche Faktoren“, sondern oft der Schlüssel zu tragfähigen Lösungen – besonders im Bildungskontext, der für viele Studierende mit hohen Erwartungen, Leistungsdruck und biografischen Weichenstellungen verbunden ist.
Bildung im besten Sinne ist dialogisch. Sie braucht Strukturen – aber auch Begegnung. Coaching kann hier Brücke und Orientierung zugleich sein.
Supervision bietet einen geschützten Raum für Reflexion und Austausch. Hier können Bildungscoachs ihre Erfahrungen teilen, voneinander lernen und neue Lösungsansätze entwickeln.
Die regelmäßige Supervision stärkt die berufliche Qualität und fördert persönliche Weiterentwicklung – mit spürbarem Mehrwert für die tägliche Arbeit.
Supervision ermöglicht den Dialog mit Kolleg:innen oder einer erfahrenen Supervisor:in. Dieser Austausch hilft, Herausforderungen gemeinsam zu analysieren und neue Ideen zu entwickeln.
Bildungscoaching ist nur eine von vielen Rollen, die Bildungscoachs in Organisationen einnehmen. Supervision hilft, die eigene Rolle klar zu definieren: Was ist mein Auftrag? Über welche welche Kompetenzen verfüge ich? Wo liegen meine Grenzen?
Ein klares Rollenverständnis erleichtert die Arbeit und hilft, den Prozess zu steuern.
Supervision bietet die Gelegenheit, neue Ansätze kennenzulernen und bewährte Methoden zu reflektieren.
Das erweitert das eigene Methodenrepertoire und ermutigt, sich ständig weiterzuentwickeln.
Supervision unterstützt dabei, ein gemeinsames Verständnis von Coaching-Qualität zu entwickeln. Durch Reflexion der eigenen Praxis wird die professionelle Arbeit nachhaltig gestärkt.
Durch den Austausch in der Gruppe kann ein gemeinsames Coachingverständnis entwickelt und reflektiert werden.
Supervision fördert den Perspektivwechsel.
Sie hilft, festgefahrene Denkmuster zu durchbrechen und innovative Lösungen zu finden – eine Bereicherung für jede Herausforderung.
Die Arbeit als Bildungscoach kann intellektuell anspruchsvoll und emotional fordernd sein.
Gerade in der Anfangsphase bietet Supervision einen sicheren Raum, um sich Feedback zu holen und Sicherheit im eigenen Tun zu gewinnen.
Unsere Umfrage zum Buch „Bildungscoaching in Theorie und Praxis“ zeigt:
Viele Bildungscoaches sind deutlich älter als die Studierenden, die sie begleiten – oft über 50 Jahre alt.
Dieser Altersunterschied ist im Coaching kein Einzelfall. Was im Business Coaching als „Graue-Schläfen-Faktor“ bezeichnet wird, steht auch hier für Erfahrung, systemisches Wissen und berufliche Reife.
Coaches mit langjähriger Praxis im Bildungssystem kennen die Abläufe, versteckte Hürden und typische Studienverläufe. Diese Erfahrung kann Sicherheit geben – besonders dann, wenn Studierende mit Unsicherheit, Orientierungslosigkeit oder Druck zu tun haben.
Doch genau hier liegt auch eine Aufgabe. Denn Erfahrung allein reicht nicht. Sie muss anschlussfähig bleiben.
Studierende bewegen sich in anderen sozialen und digitalen Räumen, denken anders über Arbeit, Lebenswege, Verantwortung. Wenn Coaches vor allem aus dem eigenen Erfahrungsschatz schöpfen, besteht die Gefahr, an den Anliegen junger Menschen vorbeizureden – sprachlich, inhaltlich, kulturell.
Der „Graue-Schläfen-Faktor“ ist deshalb kein Selbstläufer.
Er funktioniert nur, wenn Erfahrung mit echter Neugier einhergeht. Wenn Coaches bereit sind, auch die eigenen Überzeugungen zu hinterfragen – und neue Perspektiven zuzulassen.
Nicht das Alter entscheidet über Coachingqualität, sondern die Fähigkeit, im Dialog zu bleiben. Mit offenem Blick, klarer Haltung und der Bereitschaft, selbst weiterzulernen.
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